Nachfolgend der Artikel aus der AZ von Steffi Brand
Der Meitinger Bär derbleckt die örtliche Polit-Prominenz
Starkbierfest Wolfgang Wagenknecht schlüpft in die Rolle des Meitinger Bärs und nimmt Politiker, Jahrhundert-Projekte und andere örtliche Fauxpas aufs Korn.
Meitingen-Herbertshofen Allerspätestens als die Klänge des Dschungelbuch-Klassikers „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ anklangen, war das Rätsel um die Figur des neuen Fastenpredigers gelöst. Wolfgang Wagenknecht wurde als Meitinger Bär ans Rednerpult ins Schützenheim der Lechtal-Schützen in Herbertshofen gefahren und läutete damit die neue Zeitrechnung ein. Schließlich haben seine Vorgänger am Rednerpult – Anton Kraus und Hanns Rieblinger – ihre Androhung vom letzten Jahr wahrgemacht: Das Duo kommt nicht mehr zurück ans Rednerpult (wir berichteten).
An Waldorf und Stettler, die Grantler aus der Muppetshow, würden sie ihn erinnern, erklärte Wagenknecht, der darüber rätselte, was die beiden wohl mit ihrer freien Zeit anfangen würden. Um die beiden Ex-Fastenprediger nicht einfach nur im Zuschauerraum zu wissen, holte Wagenknecht – oder vielmehr seine zwei Helfer im Ministranten-Outfit (Bernhard Kraus und Florian Schmidberger) Kraus und Rieblinger aus den vollbesetzen Reihen im Schützenheim und geleitete sie zur prominent platzierten Bank. Die Anweisung des Bärs lautete: „Jetzt lehnt’s euch entspannt zurück und bopperts net allzu viel.“
Auch jenen, die sich rund ums Thema Meitinger Maibaum im vergangenen Jahr in sozialen Netzwerken mit „geistigem Dünnschiss“ geäußert haben, gab Wagenknecht während seiner Fastenpredigt einen guten Rat: „Wenn sich nur die Hälfte von den G’scheithaferln auf Facebook ab sofort aktiv in den Vereinen engagieren würden, hätten die Verantwortlichen von solchen Veranstaltungen einige Sorgen weniger.“ Für das neue Modell – dass die Maifeier künftig von den Ortsvereinen organisiert wird – gab es Lob vom Meitinger Bär.
Auch über den Bau des Wertstoffhofs, den Wagenknecht in seiner Rede spitz als „monumentales Bauwerk der Menschheitsgeschichte“ und als „Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst“ bezeichnete, musste er einige Worte verlieren, denn: Eine Eröffnungsparty gab es nicht. Was laut dem Fastenprediger fehlt, ist zweierlei: Eine Förderkette wie in der Waschstraße und ein Imbiss, der ein Ort der Verbrüderung nach dem Mistgabel-Streit an der Grüngut-Abgabestelle werden könnte.
Auch wagte der Meitinger Bär zu prophezeien, welches weitere Jahrhundertprojekt die Gemeinde künftig beschäftigen wird: Beispielsweise der Wohnungsbau an der Donauwörtherstraße, der abwechselnd „von Scherbenkratzern, Knochenpinslern und Baggern“ bearbeitet wird. Wagenknechts Tipp: Der Wiederaufbau der alten Siedlung könnte eine Meitinger Touristenattraktion werden. Ein weiteres Großprojekt könnte das Haus der Musik sein. Wagenknecht wünschte den Verantwortlichen den notwendigen Elan, um die „Erzrivalen“ JBO und SGL eben dort zu vereinen.
Doch Wagenknecht gab auch ernsten Themen eine pointierte Note, wie beispielsweise dem Tod der inhabergeführten Geschäfte im Ort. Diesmal richtete der Bär seinen Appell nicht etwa an den Marktgemeinderat – eine Lösung könnte hier solange dauern wie die Bebauung der Schlosswiese, also schätzungsweise 30 Jahre – sondern an jeden Bürger, der online einkauft. Anstatt das Geschäftssterben durch den Kauf im Internet so weit zu treiben, dass es bald keine Geschäfte mehr im Ort gibt, sollen die Bürger eher den inhabergeführten (!) örtlichen Handel unterstützen. Diesem Appell schloss der Bär eine Gedenkminute an die „letzte Bastion bayerischer Wirtshauskultur“ an – an das Weiße Ross, das Scharfe Eck und die Wirte Bompe und Kirn, die die Kneipe in Herbertshofen betrieben haben.
Auch zwei Landtagsabgeordnete im Saal wurden von Wagenknecht derbleckt: Georg Winter und Dr. Fabian Mehring brachten die Ministranten zwei Koffer. Wagenknechts Aufforderung für das eine oder andere Geldgeschenk seitens der Regierung verlieh er mit dem Thema der Straßenausbaubeitragssatzung Gewicht. Seine Idee: Winter und Mehring könnten Würste und Bier am Marktsonntag ausgeben und den Erlös spenden – alternativ sei auch direkt eine Spende an die Ministranten möglich. Doch deren Mützen füllten sich nicht und so brachte Wagenknecht die Idee auf, die Straßen im Ortsgebiet zu schottern, anstatt zu teeren. Das wäre günstiger, würde zum langsam Fahren nötigen und die Tempo-30-Schilder fast schon überflüssig machen. Pfarrer Gerhard Kramer und auch Gemeinderat Christian Deisenhofer würden nicht mehr geblitzt und Meitingens Bürgermeister Dr. Michael Higl würde niemanden mehr mit seinem Rad gefährden. Auch für die Gehwege hatte Wagenknecht die passende Idee im Gepäck: Blühstreifen für die Bienchen könnten zeitgleich eine biologische Hundeklo-Variante darstellen.
Nach einigen weiteren spitzen Bemerkungen zur Christbaumsammlung der Jungen Union, zum beleuchtete Radweg an der Kreisstraße, zum Antrag auf eine Kneippanlage, zum TSV Herbertshofen und zu den Modernisierungsplänen der Lechtal-Schützen nahm das Debüt des Meitinger Bär ein Ende. Und was sagen Kraus und Rieblinger zum Auftritt ihres Nachfolgers? Die beiden Herren auf der Bank hielten sich wahrlich zurück und erklärten im Anschluss an die Fastenpredigt: „Die alten Grantler können sagen: Des passt!“ Der Bär habe die Fußstapfen durchaus „derwischt“ und mit Balus Sing-Sang „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ verließ der Bär sein Rednerpult.